ALDI senkt 1.000 Preise – BGH verbietet irreführende Rabatt‑Werbung ab 2025

Maximilian Müller
Teilen
ALDI senkt 1.000 Preise – BGH verbietet irreführende Rabatt‑Werbung ab 2025

Als ALDI Ende Oktober 2025 verkündete, dass rund 1.000 Artikel dauerhaft günstiger angeboten werden, reagierten die Konkurrenzketten und die Gerichte fast gleichzeitig.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. Mai 2025 – ein klares Signal, dass irreführende Preisangaben künftig nicht mehr geduldet werden – steht im Zentrum des neuen Preis‑ und Konsumentenschutz‑Dramas. Gleichzeitig treiben Lidl, Netto Marken‑Discount und Kaufland ihre Preispolitik nach – ein Trend, der bis 2025 den gesamten deutschen Lebensmitteleinzelhandel prägen wird.

Der rechtliche Rahmen: EuGH‑ und BGH‑Urteile im Überblick

Im September 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass Werbeaussagen wie „Preis‑Highlight“ den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage als Referenz nehmen müssen. Das führte 2025 zu einem neuen Preisangaben‑Standard in ganz Europa.

Ein genaueres Bild gibt das BGH‑Urteil vom 26. Mai 2025Karlsruhe. Im konkreten Fall hatte Netto bei einem Kaffee‑Produkt einen Referenzpreis von 6,99 €, der angeblich eine Woche zuvor gegolten haben soll, dann aber um 36 % auf 4,44 € reduziert wurde. Da der niedrigste Preis bereits in den letzten 30 Tagen bei 4,44 € lag, aber nur in einer Fußnote erwähnt wurde, wies das Gericht die Revision mit dem Aktenzeichen I ZR 183/24 zurück und bezeichnete die Praxis als irreführend.

Die Verbraucherzentrale Baden‑Württemberg hatte bereits im April 2025 gegen ALDI ein Unterlassungsurteil erwirkt – ein Fall, der bis zum EuGH ging und dort im September 2024 zugunsten der Verbraucher entschieden wurde.

Preissenkungen im Praktischen: Was passiert im Supermarkt?

ALDI meldete im ersten Quartal 2024 ein Umsatzplus von 3,3 % – ein starker Beleg dafür, dass die Preisführerschaft im Discount‑Segment nach wie vor gut funktioniert. Die dauerhaft reduzierten Artikel reichen von Grundnahrungsmitteln bis zu Markenprodukten, die sonst nur im Aktionsregal zu finden sind.

Als Reaktion darauf senkte Lidl im Februar 2025 seine Eigenmarken‑Preise um durchschnittlich 4 % und führte ein neues "Weekly‑Deal"‑Programm ein. Norma und Kaufland folgten im März mit leichten Rabattaktionen, um die Marge nicht zu stark zu belasten.

  • ALDI: +1.000 dauerhaft reduzierte Produkte
  • Lidl: wöchentliche Deal‑Aktionen, durchschnittlich -4 %
  • Netto: Urteil des BGH zwingt klare 30‑Tage‑Preisangabe
  • Kaufland: Fokus auf Bioland‑Fleisch ab 2025
  • Rewe & Penny: Ausstieg aus dem Payback‑Programm ab 1. Januar 2025

Die einzelnen Ketten jonglieren dabei mit sehr schmalen Margen: Während bei ALDI die durchschnittliche Marge bei etwa 1,8 % liegt, liegt sie bei Lidl bei rund 2,2 %. Durch die neuen gesetzlichen Vorgaben müssen die Händler künftig jede Preisreduzierung mit dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage belegen – das erhöht den administrativen Aufwand, könnte aber langfristig das Vertrauen der Konsumenten stärken.

Nachhaltigkeit und Tierwohl: Die zweite Schlagseite der Preisdiskussion

Parallel zu den Preisdebatten verschärft sich der Druck auf die Fleischversorgung. Laut einer Schätzung der Greenpeace ist der Anteil von Frischfleisch mit Haltungsform 1 von 34 % im Jahr 2021 auf 19 % im Jahr 2025 gesunken. Das bedeutet, dass immer mehr Discounter auf bessere Haltungsformen umsteigen – ein Schritt, der nach eigenen Angaben die Produktionskosten erhöht.

ALDI Nord und ALDI Süd haben bereits seit 2021 konsequent Billigfleisch aus dem Sortiment genommen. Kaufland kündigte an, künftig stärker auf Bioland‑Fleisch zu setzen. Experten rechnen jedoch mit einem leichten Preisanstieg bei Rind‑ und Schweinefleisch, weil die höheren Tierhaltungsstandards teurer sind.

Der Marketing‑Experte Martin Fassnacht von der WHU Wirtschaftshochschule sieht darin jedoch eine Chance: „Die Verbraucher erwarten heute von den Einzelhandelsketten ein klares Bekenntnis zu Nachhaltigkeit und Tierschutz. Wer das liefert, kann seine Marke stärken, selbst wenn die Preise leicht steigen.“

Ein ähnlicher Tenor kommt von Prof. Stephan Rüschen, ebenfalls von der WHU, der im ZDFheute‑Interview am 26. Mai 2025 erklärte, dass die Preissenkungen nicht nur eine reine Preisstrategie seien, sondern Teil eines größeren Wendepunkts hin zu mehr Transparenz und Verantwortung im Einzelhandel.

Auswirkungen für Verbraucher:innen und Ausblick bis 2025

Für die Einkäufer:innen bedeutet das neue Rechtsumfeld erstens klarere Preisangaben, was die Vergleichbarkeit erhöht. Zweitens dürfte die verstärkte Nachfrage nach Bio‑ und Tierwohl‑Produkten zu höheren Ausgaben führen – besonders bei Fleisch. Drittens gibt es einen Trend zu lohnenden Kundenbindungsprogrammen, da klassische Punkte‑Systeme wie Payback an Bedeutung verlieren.

Ab Januar 2025 steigen Rewe und Penny aus dem Payback‑Programm aus, während Edeka und Netto Marken‑Discount nachziehen. Der Trend zu regionalen Lieferketten und Bio‑Obst‑ sowie Gemüseangeboten stärkt gleichzeitig die lokale Landwirtschaft und kann die Lieferzeiten verkürzen.

Der Blick nach vorn: Experten erwarten, dass bis Ende 2025 mindestens 80 % der deutschen Supermarktketten die 30‑Tage‑Preisangabe vollständig implementiert haben. Gleichzeitig wird die Diskussion um die Preis‑Transparenz weitergehen, wenn neue digitale Preisvergleichs‑Apps die Daten aus den Kassensystemen automatisch auswerten.

Key Facts

  • ALDI reduziert dauerhaft rund 1.000 Artikel (Oktober 2025).
  • BGH‑Urteil (26. Mai 2025) zwingt klare 30‑Tage‑Preisangaben.
  • EuGH‑Urteil (26. Sep 2024) legt Referenzpreis‑Prinzip fest.
  • Greenpeace‑Schätzung: Haltungsform 1‑Fleischanteil von 34 % auf 19 % gesunken.
  • Payback‑Ausstieg: Rewe & Penny ab 01. Jan 2025.

Häufig gestellte Fragen

Wie wirkt sich das BGH‑Urteil auf die Preisgestaltung von Netto aus?

Netto muss künftig in allen Rabatt‑Prospekten den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage deutlich anzeigen. Fußnoten oder versteckte Angaben sind nicht mehr zulässig, was die Werbung transparenter, aber auch kostenintensiver macht.

Welche Vorteile erhalten Verbraucher:innen durch die neuen Preisangaben?

Konsumenten können einfacher prüfen, ob ein Angebot wirklich günstiger ist, weil der Vergleichs‑Basispreis immer einsehbar ist. Das reduziert Irreführung und stärkt das Vertrauen in Discounter‑Werbung.

Wie beeinflusst die Umstellung auf besseres Tierwohl die Fleischpreise?

Die Umstellung von Billig‑ auf Qualitäts‑Haltungsformen erhöht die Produktionskosten um geschätzte 5‑8 %. Diese Mehrkosten werden voraussichtlich anteilig an die Endverbraucher weitergegeben, sodass Fleisch im Schnitt etwas teurer wird.

Warum verlassen große Ketten wie Rewe und Penny das Payback‑Programm?

Das Payback‑System wird zunehmend als Kostenfaktor kritisiert. Kundenbindung soll künftig über eigene Bonusprogramme und Direktaktionen erfolgen, die besser auf die Preis‑Transparenz‑Regeln abgestimmt sind.

Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Bio‑Produkte im neuen Einzelhandelsmix?

Nachhaltigkeit ist jetzt ein entscheidendes Markenversprechen. Discounter investieren verstärkt in regionale Bio‑Obst‑ und Gemüseangebote, weil Verbraucher:innen bereit sind, für nachweislich tierfreundliche und umweltfreundliche Produkte etwas mehr zu zahlen.